Gibt es schlechtes Wanderwetter?

Manuel Andrack, Klartext
Schon in der Wanderschule lernen wir: “Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Bekleidung!” Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass sich diesen Satz Marketing-Fachleute der Outdoor-Industrie ausgedacht haben müssen. Denn der Spruch vom angeblich nicht existenten schlechten Wetter ist meines Erachtens ganz großer Unfug. NATÜRLICH gibt es schlechtes Wetter, aber Hallo!

Wobei man da differenzieren muss, denn – was heißt eigentlich genau: “schlecht”. Ist zum Beispiel kalt schlecht? Ich würde mal behaupten: Nein. Ich wandere gerne im Winter, gegen Kälte kann man sich nun wirklich mit entsprechender Kleidung schützen, lange Unterhose an, fertig. Ist zu warm schlecht? Schon eher. Wenn ich an die richtig heißen Tage in diesem Juni denke, fallen mir einige Tage ein, an denen man wegen der Hitze und der Ozon-Belastung nur in den frühesten Morgenstunden oder in der Nacht wandern konnte. Aber es geht zumindest.

Furchtbar allerdings ist Wandern bei Feuchtigkeit von oben, Wandern im Dauerregen. Das ist schlechtes Wetter. Nennt mich Weichei, schimpft mich Schönwetterwanderer, das ist mir egal. Ich hasse es zu wandern, wenn es regnet. Allerdings muss man auch beim Regen-Wetter unterscheiden. Leichter Nieselregen, der die Haut zart streichelt – kein Problem. Auch Schauer-Wetter kann seinen eigenen Reiz haben. Wenn die Wolkengebirge sich jagen, wenn man schon (“Hejo, spann den Wagen an, denn der Wind treibt Regen übers Land”) in der Ferne die grauen Schleier des nächsten Schauers näher kommen sieht. Das ist alles okay. Kurz in einer Hütte unterstellen oder den Regenschirm aufmachen – das geht schon.

Habe ich Regenschirm gesagt? Was habe ich für mein Regenschirm-Faible schon Hohn und Spott anhören müssen! Am schlimmsten war der Spruch, den mir eine füllige Mitwandererin aus Recklinghausen vor einigen Jahren reindrückte: “Männer und Regenschirm, das geht ja gar nicht”. Warum ich den Regenschirm nutze, ist doch klar. Erstens bedeckt der nicht nur den Kopf wie eine Kapuze, sondern auch Oberkörper, Rucksack und vor allem die Beine. Und zweitens ist nach dem Ende des Schauers der Schirm schnell wieder verstaut und man kann gut gelaunt weiterwandern.

Aber wer hat schon jemals einen fröhlichen Wanderer mit Regenponcho gesehen? Diese Wanderer von der taurigen Gestalt, die aussehen wie die bunten Quasimodos der Wälder. Wenn man so einen unförmigen Umhang tragen muss, DANN ist wirklich schlechtes Wetter. Schlechtes Wetter erkennt man daran, wenn man gar keine Wolken mehr unterscheiden kann, weil es aus einer geschlossenen Wolkendecke regnet und regnet und regnet. Wenn die einzigen Wetternuancen heller Regen und dunkler Regen sind, nur kurz unterbrochen von Starkregen. Und wenn dann noch ein Gewitter dazwischen haut, wird es nicht nur ungemütlich, sondern lebensgefährlich.

Wander-Philosoph Jürgen von der Wense sieht das ganz anders. Er schrieb: “Jeder Sturm ist Aufstand und Umsturz.” Hört sich schön revolutionär an. Aber dieses Sichtweise ist echt nicht mein Ding. Hatte ich jemals positive Erinnerungen an Regen-Wanderungen? Nein. Ich erinnere mich aber an Wanderungen, bei denen ich mir mit nassen Socken riesige Blasen gelaufen habe. Ich erinnere mich an Wanderungen, bei denen mir der Regen in die Unterhose lief. Ich erinnere mich an Wanderungen, bei denen ich mich in einem heftigen Gewitter an einen Baum klammerte, in der Hoffnung, dass der Blitz in einen der vielen anderen tausend Bäume einschlägt. (Gewitter-Merksatz: Unter den Bäumen als einer von vielen – da fragt sich der Blitz: Wie soll ich da zielen?) Und wenn man das alles erlebt hat, dann weiß man: Doch, es gibt schlechtes Wetter.
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